Die Elchniederung gestern und heute

Die Landsmannschaft der Ost -und Westpreußen, Kreisgruppe Chemnitz e.V. hatte die Mitglieder zum Vortrag mit dem Thema “Die Elchniederung gestern und heute” mit Herrn Prof. Hertel, Dresden/Kesselsdorf als Referenten eingeladen. Er ist Mitglied und stellv. Kirchspielvertreter Kaukehmen/Skören der “Kreisgemeinschaft Elchniederung” www.Elchniederung.de, Vorstandsmitglied der “Gesellschaft der Freunde Kants und Königsbergs e.V.” www.Freunde Kants und Königsbergs.com.de und pflegt viele Kontakte zu Personen und Institutionen im ehemaligen Ostpreußen.

Die Elchniederung

Die Elchniederung (bis 1938 “Niederung”, heute in etwa der Kreis Slavsk) ist der nördlichste Kreis im Kaliningrader Gebiet. Im ehemaligen Ostpreußen lag nur noch das Memelland nördlicher.

Das Niederungsgebiet umfaßt ca. 1000 km², wird westlich vom Kurischen Haff und nördlich vom Memeldelta begrenzt (vor 1923 und zwischen 1939 und 1945 gehörten auch Teile des Memellandes politisch zur Elchniederung) und liegt teilweise auch unterhalb des Meeresspiegels. Die Bewohner der Elch- und Memelniederung hatten immer wieder gegen verheerende Überschwemmungen zu kämpfen. Im Winter bildete sich eine dicke Eisschicht auf der Memel, meist mit Eisstau. Diesen Zustand bezeichnete man als “Schacktarp” oder Wegelosigkeit. Begann das Eis zu schmelzen, kam es zu den gefürchteten Überschwemmungen in den Niederungsgebieten. Für den Schiffsverkehr waren die Haff-Seitenkanäle wichtig, denn das Wetter auf dem Haff konnte schnell umschlagen. Bei Sturm war die Fahrt über das Haff zu gefährlich.

Die Besiedlung der Elchniederung erfolgte ganz allmählich. Erste Spuren wurden von einwandernden Kuren (im nördlichen Baltikum) gefunden. Aber erst durch Jahrhunderte lange Mühe der Melioration (begonnen vom Deutschen Orden, beendet durch vernachlässigte Pflege) wurde dieses Gebiet nach und nach urbar und entwickelte sich zu einer einzigartigen Mensch-Natur-Symbiose. Im sogenannten Elchwald, der dem Kurischen Haff vorgelagert ist, hatte der Elch in den Erlenwäldern und Mooren seinen Einstand. Erfreulich, dass der Elchbestand seit Kriegsende wieder gewachsen ist.

Bis 1939 hatte die Elchniederung 55.000 Einwohner. Das Kreisgebiet gliederte sich in 14 Kirchspiele mit Heinrichswalde als Kreisort im Regierungsbezirk Gumbinnen, Kaukehmen (ab 1938 Kuckerneese, heute Jasnoje) dem größten Ort und Groß Skaisgirren (ab 1938 Kreuzingen, heute Bolschakovo) als dem wichtigsten Verkehrs- und Handelsknotenpunkt. 1891 erfolgte der Anschluss an die Bahnstrecke Tilsit-Königsberg, die mit einer Kleinbahn, auch “Schnieffkeboahn” genannt, ab Bahnhof Groß Brittanien (bei Heinrichswalde) mit zwei Stichstrecken nach Karkeln (dem “Venedig des Nordens” und nach Groß Gryszanen (ab 1938 bis 1945 Seckenburg, heute Zapovednoje) über Alt Lappienen (ab 1938 Rauterskirch, heute Bolschije Bereschkij = großes Flußuferchen)) ergänzt wurde.

Bahnhof Groß Brittanien Elchniederunng

Mit der Rinderzucht und der Milchwirtschaft entstanden Molkereien die den bekannten Tilsiter Käse herstellten. Auch salz-und schwefelhaltige Quellen wurden entdeckt und genutzt. Im Januar 1945 besetzten sowjetische Truppen Heinrichswalde.

Die barocke Kirche im Dorf Alt-Lappienen wurde als ein imposanter achteckiger Ziegelbau nach Vorbild einer byzantinischen Kirche in Ravenna von Anfang an als ev.-lutherisches Gotteshaus errichtet und blieb es auch bis 1945. Nach dem 2. Weltkrieg wurde diese Kirche zuerst als Schlachthof, später als Getreidelager genutzt. Im Jahre 1975 brannte der gesamte Dachstuhl durch Blitzschlag ab, die noch immer imposanten Fassadenmauern werden heute durch die größte Storchenkolonie der Welt (so sagt man) besiedelt. Durch Initiative der Kreisgemeinschaft “Elchniederung” konnte das Gelände Mitte der 1990er Jahre beräumt und durch liebevolle Pflege jetziger Einwohner wieder ansehnlich gemacht werden. Mit evangelischen Gottesdiensten der Propstei Kaliningrad, der Kreisgemeinschaft Elchniederung und privater Personen unter freiem Himmel sowie bereits erfolgter neuer Bestattungen wurde die Kirche wieder “arbeitend”. Sie wird durch die örtliche Gemeinde mit Liebe und wie ein Augapfel gehütet.

Kirche LappinenKirche Lappinen

Solche gemeinsamen Aktionen und Begegnungen zeigen den Willen zur Versöhnung. Restaurants haben wieder Namen ehemaliger Besitzer, Wegweiser werden oft in Russisch-Deutsch beschriftet, Straßenbahnen und Busse verwenden deutsche Ortsnamen und kyrillischer Schrift.

Königsberg

In Königsberg findet jeden Mittwoch 19.00 Uhr ein Deutscher Stammtisch statt.

Königsberg

Die Stadt Sovjetsk (früher Tilsit) erhielt dank ihrer Bemühungen das alte deutsche Stadtwappen zurück, das Königin Luise Denkmal erfreut die Besucher wieder und im Hotel “Rossija” liegt die Bibel in deutscher Sprache aus. Das fördert nicht nur den Tourismus, sondern dient der Versöhnung zwischen beiden Völkern.

Professor Dr.-Ing habil. HertelProfessor Dr.-Ing habil. Hertel Professor Hertel in Chemnitz

Die Zuhörer dankten dem Referenten mit viel Beifall für den interessanten Bericht. Anschließend beantwortete er noch viele Fragen der Zuhörer.

Der Kulturkreis “Simon Dach” mit der Leiterin Ingrid Labuhn gab der Veranstaltung mit ostpreußischen Liedern den musikalischen Rahmen.

(Fotoquellen: Prof. Dr.-Ing. habil. Günter H. Hertel und Kreisgruppe Chemnitz eV)

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